Effizienzmarkthypothese: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 16. Februar 2022, 21:03 Uhr

Die Markteffizienzhypothese oder auch Effizienzmarkthypothese, kurz EMH, ist eine mathematisch-statistische Theorie der Finanzökonomik. Die EMH besagt, dass Assetpreise alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. Eine direkte Konsequenz ist, dass kein Marktteilnehmer den Markt langfristig schlagen kann, außer durch Glück oder Nutzung nicht-öffentlicher Informationen. Assetpreise sollten nur auf neue Informationen reagieren und daher einen zufälligen Verlauf (random walk) aufweisen.

Wesentliche Beiträge zur EMH lieferten Bachelier (1900), Samuelson (1965) und vor allem Eugene Fama. Dieser systematisierte 1970 in einem einflussreichen Review-Paper die wesentlichen theoretischen und empirischen Forschungsergebnisse. Außerdem operationalisierte Fama erstmals die EMH und lieferte eine Reihe von empirischen Tests. Die EMH kann nur zusammen mit einem Risikomodell formuliert werden (Verbundhypothese).E. F. Fama: Efficient Capital Markets II. In: Journal of Finance. Band 46, Nr. 5, 1991, S. 1575–1617. Die Finanzökonomie untersucht daher seit den 1980er Jahren Marktanomalien, das heißt Abweichungen vom jeweils spezifizierten Asset-Pricing bzw. Risikomodell. In der Regel handelt es sich dabei um Abweichungen vom CAPM.

Die EMH stellt eine theoretische Grundlage der modernen Portfoliotheorie dar. Außerdem bildet die EMH das Fundament des passiven Investierens mit Indexfonds.

Im Jahr 2013 wurden Eugene Fama zusammen mit Robert J. Shiller und Lars Peter Hansen für ihre Arbeiten zur Effizienz von Märkten (bzw. “for their empirical analysis of asset prices”) mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.[1]

Grundlagen

Die Markteffizienzhypothese besagt, dass die Preise, die in einem Markt erzielt werden, sämtliche Informationen reflektieren, die in diesem Markt verfügbar sind.

Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass der Markt rationale Erwartungen hat. Eine rationale Erwartung bedeutet nicht zwingend, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer rational (oder auch nur informiert) sein müssen, sondern lediglich, dass die Gesamteinschätzung (Erwartungswert) der Marktteilnehmer rational ist.[2]

In einem Markt, in dem man stets zu Preisen kaufen/verkaufen kann, die sämtliche Informationen reflektieren, kann man davon ausgehen, dass man nie zu teuer kauft und nie zu billig verkauft. In der Konsequenz würde daraus auch folgen: „Niemand kann erwarten, dauerhaft höhere Gewinne als der Markt(-durchschnitt) zu erzielen“.

Die Anwendung der Markteffizienzhypothese bezieht sich in aller Regel nur auf Kapitalmärkte. Informationen zu Unternehmen, Staaten und Rohstoffen führen hier bereits Sekunden nach dem Bekanntwerden zu Konsequenzen in den Kursen, was ein Indiz dafür ist, dass die Preise sehr schnell den Informationsstand des Marktes repräsentieren.

Traditionelle Märkte (Wochenmarkt, Supermarkt, Einzelhandel, Großhandel) werden generell als nicht effizient angesehen. Ein Grund dafür ist, dass der Käufer hier in der Regel ein erhebliches Informationsdefizit gegenüber dem Verkäufer hat und dass ein Handel hier nicht immer mit Gewinnabsicht (sondern z. B. mit Konsumabsicht) getätigt wird.

Bei empirischen Überprüfungen der EMH wurden Anomalien gefunden, wie z. B. Kalenderanomalien („Januareffekt“), Über- und Unterreaktionen und längere Phasen der Übertreibung (Spekulationsblasen).[3][4] Allerdings sind solche Anomalien Gelegenheiten für Arbitrage-Geschäfte. Der Januar-Effekt verschwand sehr schnell nach seiner Veröffentlichung.

In der Forschung relevante Anomalien, die ein Problem für die EMH bzw. das klassische CAPM Asset-Pricing-Modell darstellen, sind etwa das Size und Value Premium. Darunter versteht man die systematische Überrendite von kleinen Firmen (Size), bzw. billig bewerteten Unternehmen, relativ zu einer fundamentalen Unternehmenskenngröße (Value). Eugene Fama und Kenneth French konnten diese Anomalien im Rahmen der EMH durch eine Modifikation des Asset-Pricing-Modells erklären, indem sie ein Dreifaktorenmodell einführten, welches Aktienrediten auf 3 statistisch unabhängige Risikofaktoren zurückführt.

Argumente gegen die EMH

1. Nicht alle Marktteilnehmer haben alle Informationen. In der Praxis liest nicht jeder Marktteilnehmer ALLE Geschäftsberichte komplett durch.

Schon das führt zu unterschiedlichen Einschätzungen.

Von sämtlichen Gerüchten und Medienmitteilungen ganz zu schweigen.

2. Es ist beobachtbar, dass Aktien jeden Tag ihren Wert ändern (ausser natürlich solche, die an dem Tag gar nicht gehandelt werden).

Dies auch an Tagen, an denen keinerlei neue Informationen vorliegen.

3. Es gibt verzögerte Informationsverarbeitung: Entgegen der EMT ist nicht jede Information sofort eingepreist.

Kündig Apple ein neues Produkt an, steigt der Aktienkurs anschliessend oftmals Tagelang immer weiter, täglich um 2-5%, obwohl es zwischenzeitlich keine neuen Informationen gab.

Wären die Märkte voll effizient, würde die Aktie innerhalb von 1 Minute um zB 10% steigen, und danach exakt auf dem selben Niveau verharren, bis es neue Informationen von Apple gibt.

Auch das beweist, dass Preise nicht 100% alle Informationen beinhalten.

4. Menschen haben Stimmungen. Dass Apple ihren Gewinn um 10% gesteigert hat, wird negativ aufgefasst, wenn die Analysten 12% erwartet hatten. Die Aktie sinkt, obwohl es objektiv eine positive Information ist.

Oder die Analysten erwarten, dass Apple ihren Gewinn um 5% steigert, Apple schafft 6%.

Die Aktie sinkt trotzdem, weil die Anleger insgeheim den Wunsch hatten, dass Apple 7% schafft, obwohl es keine Information gab, die darauf hindeutete.

5. Menschen blenden Informationen aus. Siehe selektive Wahrnehmung.

Insbesondere auch, wenn etwas nicht in ihr Weltbild passt.

Hinweise, dass Tesla total überbewertet sei, werden abgetan mit dem Hinweis aufs Wachstum.

Aber Tesla müsste 2030 rund 100% aller Autos auf der ganzen Welt verkaufen, damit die heutige Bewertung gerechtfertig wäre. Das ist Fakt.

Man sieht aber in diversen Foren, dass einfach behauptet wird, das werde auch passieren,

zumindest werde Tesla so gross, dass sich die Bewertung rechtfertigen lässt.

Das heisst, Informationen werden ignoriert oder umgedeutet, damit es ins eigene Weltbild passt.

6. Menschen können Informationen nicht rational verarbeiten.

Siehe das Buch Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahnemann, dort hat es dutzende Beispiele von solchen Sachen, wo Menschen Informationen systematisch falsch einschätzen.

7. Man könnte den weltweiten Aktienmarkt schlagen, in dem man in den S&P 500 investiert.

Denn dieser hat die letzten 100 Jahre den Weltmarkt geschlagen (siehe Video-Interview mit Thorsten Hens, das ich vorhin verlinkt hatte).

Der Weltmarkt ist damit schlagbar, ohne viel Aufwand.

Zudem weiss man auch, dass kleinere Unternehmen höhere Aktienmarktrenditen bringen.

Investiert man also nur in kleine Unternehmen, schlägt man den Markt automatisch.

Auch das ist empirisch bewiesen.

8. Die Mehrheit der langfristig erfolgreichen Investoren auf der Welt betreiben Value-Investing.

Das ist schon komisch, dass wer Value Investing betreibt, stets den Zufall auf seiner Seite hat.

9. Das Beispiel GameStop, als die Redditt-Community den Kurs künstlich hochtrieb, ist Beweis genug, dass die Märkte zumindest nicht immer effizient sein können.

Oder will mir hier jemand sagen, GameStop sei zu jeder Zeit perfekt bewertet gewesen?

10. Warren Buffett meint dazu:[5]

"I selected these men years ago based upon their framework for investment decision-making.

...

Their attitude, whether buying all or a tiny piece of a business, is the same. Some of them hold portfolios with dozens of stocks; others concentrate on a handful. But all exploit the difference between the market price of a business and its intrinsic value.

...

I’m convinced that there is much inefficiency in the market. These Graham-and-Doddsville investors have successfully exploited gaps between price and value. When the price of a stock can be influenced by a “herd” on Wall Street with prices set at the margin by the most emotional person, or the greediest person, or the most depressed person, it is hard to argue that the market always prices rationally. In fact, market prices are frequently nonsensical.

...

I can only tell you that the secret has been out for 50 years, ever since Ben Graham and Dave Dodd wrote Security Analysis, yet I have seen no trend toward value investing in the 35 years that I’ve practiced it. There seems to be some perverse human characteristic that likes to make easy things difficult. The academic world, if anything, has actually backed away from the teaching of value investing over the last 30 years. It’s likely to continue that way. Ships will sail around the world but the Flat Earth Society will flourish. There will continue to be wide discrepancies between price and value in the marketplace, and those who read their Graham & Dodd will continue to prosper."

Quellen

  1. Nobelkomitee
  2. E. F. Fama: Random Walks in Stock Market Prices. In: Financial Analysts Journal. Band 21, 1965, S. 55–59.
  3. Ann-Christine Schulz: Die Rolle der Finanzanalysten bei der Verbreitung von Managementkonzepten. Gabler Verlag, 2011, ISBN 978-3-8349-3016-3, S. 55.
  4. Christian Christen: Politische Ökonomie der Alterssicherung – Kritik der Reformdebatte um Generationengerechtigkeit, Demographie und kapitalgedeckte Finanzierung. Metropolis-Verlag, Marburg 2011, S. 398.
  5. The Superinvestors of Graham-and-Doddsville, auch als PDF